Suche
Close this search box.
30. Oktober 2023

Deutsch-französisches Forum zur Klimaanpassung

Klimaanpassung grenzüberschreitend denken, so der Ansatz mit dem der Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau gemeinsam mit der Ortenauer Energieagentur, der Straßburger Klimaagentur Agence du Climat und Trion-Climate e.V. am Freitag, den 20. Oktober 2023 Klimaexperten beider Rheinseiten zu einem deutsch-französischen Fachforum im Hôtel de Ville in Straßburg empfing.
Vortrag zum Klimawandel und Handlungsmöglichkeiten für die Anpassung (Photo (c) Jérôme Dorkel_EMS)
Parallele Fach-Workshops, um gemeinsame Idee zu entwickeln
Politische Podiumsdiskussion (Photo (c) Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau)

Mit dem Klimaforum stellten sich der Eurodistrikt und seine Partner einer der drängenden Fragen unserer Zeit: Mit Hitzewellen, Trockenheit und Starkregen sind die Auswirkungen des Klimawandels auch auf dem Gebiet des Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau präsenter denn. Städtische Gebiete und ländliche Regionen sind dabei mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert, deren jeweiligen Ähnlichkeiten sich jedoch grenzüberschreitend spiegeln. Vor diesem Hintergrund gewinnt Klimapolitik in grenzüberschreitender Perspektive insbesondere auf der lokalen Ebene zunehmend an Bedeutung. So erklärte denn auch Eurodistrikt-Präsident und Landrat Frank Scherer in seinem Grußwort zur Eröffnung des Fachforums: „Links und rechts des Rheins tun die Gebietskörperschaften bereits viel für den Klimaschutz. Mit dem Klimaforum wollen wir den Blick über die Grenze weiten, denn ein Schwerpunkt der Arbeit des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau wird künftig auch die grenzüberschreitende Koordinierung bei der Planung und Umsetzung von Klimamaßnahmen sein“, so Scherer. Mit dem Klimaforum soll die konkrete Umsetzung des im März 2023 auf den Weg gebrachten Eurodistrikt-Klimaaktionsplans vorangetrieben werden. Angesichts der bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels gelte es dabei nicht nur den Klimaschutz, sondern verstärkt die Anpassung an den Klimawandel in den Blick zu nehmen. „Hier gilt es, neue Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und uns über Maßnahmen auszutauschen, mit denen wir uns besser an die künftigen klimatischen Verhältnisse in unserem Gebiet anpassen“, so Scherer weiter.

Das Format war ein voller Erfolg und die Nachfrage an dem deutsch-französischen Fachforum äußerst hoch. Mit rund 130 teilnehmenden Fachakteuren aus der Region beider Rheinseiten waren alle verfügbaren Plätze im Hôtel de Ville besetzt. Nachdem Fachvorträge der Experten von Météo France zu den Auswirkungen des Klimawandels auf dem Eurodistriktgebiet sowie von Klima Plus zu möglichen Handlungsachsen der Klimawandelanpassung den inhaltlichen Einstieg in den Tag boten, diskutierten die deutschen und französischen Fachvertreterinnen und ~vertreter in vier parallelen Workshops Maßnahmen zur Klimawandelanpassung. In den Blick genommen wurden dabei die Bereiche ‚Schutz der Gesundheit der Bevölkerung‘, ‚Schutz von Wäldern und Landwirtschaft‘, ‚Erhalt der Biodiversität‘ sowie ‚Sicherung der Energieversorgung‘.

Elementar wichtig, so der einheitliche Tenor der Teilnehmenden, sei ein transversaler, also disziplin- und verwaltungsübergreifender, sowie ein verstärkt deutsch-französischer Austausch der fachlichen Akteure und Beratungsnetzwerke, um sich den gemeinsamen Klimaherausforderungen nachhaltig stellen zu können. Die Ideen reichten in ihren vielfältigen Ansätzen dabei von gemeinsamen Hitzeschutzpläne mit Notfallregiestern von älteren und schwachen Menschen, über gemeinsame Aufforstungs- und Renaturierungsprojekten, dem gemeinsamen Blick auf invasive Arten oder das Verfassen eines grenzüberschreitenden Atlasses der Biodiversität bis hin zu einem Ausbau von Wasser- und H2-Netzen sowie der rheinübergreifenden Einrichtung von Blau- und Grünzonen. Auch das Entwickeln ökologischer Korridore und ökologischer Infrastruktur sollte nach Ansicht der Workshopteilnehmer verstärkt rheinübergreifend angegangen werden. Eine grenzüberschreitende Kartographie von Krankheiten, die sich klimabedingt ausbreiten, könne zudem dazu beitragen, beiderseits des Rheins ein einheitliches Bewusstsein für diese Krankheiten und den Umgang mit ihnen zu entwickeln. Zudem gelte es, Sensibilisierungsaktionen – genannt wurde beispielsweise die Ausrichtung eines deutsch-französischen Naturfestes für Bürgerinnen und Bürger – sowie die Entwicklung gemeinsamer pädagogischer Instrumente oder eine Kartierung von Fachakteuren konsequent grenzüberschreitend anzubieten.

Darüber, welche politischen Ansätze und Schwerpunkte die grenzüberschreitende Kooperation im Bereich der Klimawandelanpassung einnehmen kann und soll, diskutierten am Nachmittag Christelle Lehry, Vizepräsidentin des Umweltausschusses Regionalrat Grand Est, Marc Hoffsess, beigeordneter Bürgermeister der Stadt Straßburg für ökologischen Wandel, Bernd Mettenleiter, MdL Baden-Württemberg, Bruno Metz, Bürgermeister der Stadt Ettenheim und Dr. Nikolas Stoermer, Erster Landesbeamter des Ortenaukreises in einer Podiumsdiskussion. Kooperationspotential sahen die politischen Vertreterinnen und Vertreter dabei insbesondere bei den Themen (Grund-)Wasser und Energie. So verwies Christelle Lehry darauf, dass sich Deutschland, Frankreich und die Schweiz rund 135 Mrd. m³ rheinisches Grundwasser teilten. Allerdings unterschieden sich die Bewässerungspolitiken in Baden-Württemberg und im Elsass, was wiederum direkte Auswirkungen auf die gemeinsame Ressource Wasser habe. Während Baden-Württemberg die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen im vergangenen Jahr beispielsweise bereits im Juni einschränkte, griff diese Maßnahme im Elsass erst im August. Auch Bernd Mettenleiter betonte, dass die Frage nach einer stabilen Grund- und Trinkwasserversorgung in der Region nicht an der Landesgrenze aufhören dürfe, sondern vielmehr grenzüberschreitend zu denken sei. Die teilweise unterschiedlichen Sichtweisen, mit denen dies- und jenseits des Rheins auf die Dinge geblickt werde, seien dabei immer auch eine gegenseitige Bereicherung und mögliches Korrektiv der eigenen Überlegungen. Marc Hoffsess ergänzte, dass insgesamt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit rund um den Rhein gestärkt werden müsse, da Umweltprojekte, wie das Projekt „Rhin Vivant“ (=Lebendiger Rhein), oft noch zu national gedacht seien, gerade in Frankreich. Darüber hinaus gelte es zu forcieren, wie die deutschen und die französischen Anstrengungen im Oberrheingebiet gebündelt werden könnten, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen, den Energieverbrauch zu senken und die Energieautonomie zu erhöhen. Auch Dr. Nikolas Stoermer plädierte neben der Ertüchtigung grenzüberschreitender Verkehrswege, insbesondere der Bahnstrecke Kehl-Appenweier, die seit langem zu langsam voran ginge, für den Ausbau erneuerbarer Energien. Neben den Potentialen der Windenergie und der Photovoltaik müssten auch die Potentiale der Tiefengeothermie in den Blick genommen und hierzu ein stärkerer grenzüberschreitender Konsens geschaffen werden, um gemeinsam voranzukommen. Bruno Metz, der in einer Reduzierung des CO2-Austoßes das drängendste primäre Ziel der Zeit sieht, verwies bei der Frage nach einem grenzüberschreitenden Mehrwert auf den Gesundheitsschutz und das Beispiel der Borreliose. Während die Krankheit im Schwarzwald ein großes Thema sei, fehlten im Elsass dazu noch die Erfahrungen. Hier könne Menschen durch einen entsprechenden grenzüberschreitenden Austausch von Wissen schneller geholfen werden. Präventives Schützen im grenzüberschreitenden Schulterschluss, so der einstimmige Tenor, sei das Gebot der Stunde, um mit Blick auf die Klimawandelanpassung langfristig schneller voranzukommen.

Die umfangreichen Ergebnisse aller Themenworkshops und der Abschlussdiskussion werden vom Eurodistrikt und seinen Partnern in Form konkreter Handlungsansätze aufbereitet, mit denen konkrete Kooperationsprojekte angestoßen werden sollen.

Übergeordnetes Ziel ist zudem die weiter Verfeinerung des im März 2023 verabschiedeten Aktionsplans Klima. Dieser bündelt acht große Ziele, die dem Eurodistrikt als Grundlage für weitere Klimaaktivitäten und grenzüberschreitende Klimaprojekte im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung dienen sollen, auch um die bereits bestehenden Klimaschutzkonzepte der Eurodistriktkommunen um die im Klimaschutz unerlässliche grenzüberschreitende Dimension zu erweitern. Für die kommenden zwei Jahre hatte sich der Eurodistrikt-Rat auf eine prioritäre Umsetzung von zunächst drei der acht Ziele geeinigt. Darunter fällt, neben der Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger, selbst klimapolitisch aktiv zu werden (Ziel 3) und der Förderung von nachhaltiger Mobilität (Ziel 7), auch eine vertiefte grenzüberschreitende Koordinierung bei Planung und Umsetzung von Klimaschutz und -anpassungsmaßnahmen (Ziel 4), dessen Grundstein nun das Forum legte.

Erarbeitet wurde der Aktionsplan Klima in Zusammenarbeit mit der Ortenauer Energieagentur und der Agence du Climat der Eurometropole Straßburg. Auch die Anregungen und Vorschläge der deutschen und französischen Klimaschutzbeauftragten der Eurodistrikt-Mitgliedsgemeinden, flossen in die Arbeit ein.

(Presseinfo: Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau, 24.10.2023)